Eine Geschichte aus der Psychiatrie

Nicolas Ofczarek und Gunkl sind in der Psychiatrie – zumindest bin ich dieser Meinung. Bei Herrn Ofczarek bin ich mir ganz sicher, bei Gunkl hingegen nicht.

Herr Ofczarek hat – so wie es sich für einen gestandenen Kammerschauspieler gehört – eine tiefe, kräftige Stimme. Ich erfahre erst später, dass er eine manische Phase hat und gar nicht der ist, für den ich ihn halte.

Ich, zum ersten Mal psychotisch und vollkommen verängstigt, traue mich des Abends nicht in den Raucherraum. Dort finden regelmäßig Parties statt. Zwar ohne Alkohol, denn wir sind ja auf der psychiatrischen Akutstation, aber dennoch – der Lärm dringt bis zu meinem Zimmer am anderen Ende des Ganges vor.

„Traust du dich am Abend in den Raucherraum?“, frage ich am nächsten Tag ganz vorsichtig einen recht ruhig und sympathisch wirkenden Patienten.

„Ja.“ sagt er und mir scheint, als könne er meine Frage nicht ganz nachvollziehen.

Vier Jahre später lerne ich Gunkl kennen. Ich bin nicht in einem voll-, sondern grenzpsychotischen Zustand. Höre Stimmen, kann mich aber von ihnen abgrenzen und sie als Teil meiner Erkrankung wahrnehmen.

Ich hab gedacht, Gunkl ist Nichtraucher, schießt es mir durch den Kopf. Er kommt aus der Schweiz und trägt kurze Hosen. Ich hingehen zwei Pullis, weil mir so kalt ist. Er zieht genauso gierig an seiner Zigarette, wie ich – und schon kommt wieder die Paranoia in mir hoch und ich frage mich, ob alles um mich herum gestellt ist, ob er mich nachmacht?

Eines Morgens, da ist Gunkl angezogen wie ein Twinny, das Eis aus meiner Kindheit Anfang der Neunziger Jahre. Oben knallgrün, unten orange. Fehlt nur eine braune Haube statt dem Schokoladenüberzug. Ich muss schmunzeln. Das ist in der Psychiatrie erlaubt.

Man kann ja miteinander reden und nach ein paar Tagen schaffe ich es, mich Gunkl beim Frühstück vorzustellen. „Entschuldigung, ich hab mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin die Emilia.“

„Hans.“, sagt er ganz freundlich und lächelt sogar ein bisschen. Irgendwie bin ich enttäuscht.

Wer kommt als Nächster, gar Heinz Fischer Hand in Hand mit seiner Margit?

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